Für den heutigen Tag stand die Rückreise nach Managua auf dem Plan, denn wir hatten zugesagt am Montagmorgen schon unsere Fahrräder dort zum Verpacken abzugeben. León trennen von Managua ungefähr 90 Kilometer, die wir ja bereits schon einmal mit dem Fahrrad bezwungen hatten. Nach dem gestrigen Wander-Exzess waren wir hin und her gerissen, wie wir diese Strecke dieses mal fahren sollten. Gegen die Fahrräder sprachen müde Beine, das Wissen, dass wir die ganze Zeit Gegenwind haben würden (hier kommt der Wind IMMER aus Osten!) und die leise Erinnerung, dass wir aus Managua raus sehr viel gerollt waren… Dafür sprachen allerdings unsere immer noch ungebändigte Lust auf’s Radfahren, der Gedanke an stickige, volle Busse und unser Ehrgeiz 😄. Wir entschieden uns für einen Kompromiss: Wir würden gemütlich ausschlafen und frühstücken, dann mit den Rädern starten und uns die Option lassen auf den Bus umzusteigen. Schließlich hatten wir inzwischen oft genug gesehen, dass man hier durch wildes Arm-Wedeln praktisch immer und überall Busse stoppen konnte. Haltestellen, waren hier dazu da, Hängematten darin aufzuhängen ;).
Um 10 nach Fünf am Morgen waren wir beide erschreckenderweise ausgeschlafen. Dafür ließen wir uns aber mit dem Frühstück am Pool Zeit, nutzten das gratis Kaffee-Angebot des Hostels in voller Ausdehnung und gingen auch das Zusammenpacken ganz entspannt an.
Trotz allem saßen wir zeitig auf unseren Rädern und waren schon nach wenigen Metern sehr froh über unsere Entscheidung pro Fahrräder. Schon um zehn hatten wir ungefähr die ersten 25 Kilometer hinter uns gebracht. Wir erreichten die Abzweigung auf die 28 über die wir gekommen waren. Die 12, auf der wir uns befanden, führte allerdings auch nach Managua. Bei einem zweiten Frühstück beratschlagten wir, welcher Straße wir wohl folgen sollten. Die bekannte Strecke war geringfügig länger und für Lkw ausgeschildert. Außerdem hatten wir uns auf dem Hinweg an der für dieses Land hohen Verkehrsdichte gestört. Als uns die Besitzerin des kleinen Ladens, die und gerade hervorragende Spiegeleier gebraten hatte, dann auch noch sagte, dass die 12 viel weniger befahren sei, entschieden wir uns für den neuen Weg. Strecken doppelt fahren missfiel uns ja eigentlich grundsätzlich.
Etwa 20 Kilometer später erst verstanden wir, warum man die Lkw über die andere Route führt: Wir waren mitten in den Bergen und zwar in solchen, deren Kuppen Lkw und Mädels auf Fahrrädern nur noch in Schrittgeschwindigkeit erreichen.
Dazu kam, dass der uns bereits bekannte Ostwind einen dazu zwang bergab auch noch treten, wenn man nicht wieder hoch gepustet werden sollte. Obwohl es wirklich, wirklich anstrengend war und wir inzwischen gruselige Mengen Flüssigkeit zu uns nahmen und direkt wieder ausschwitzend, wollte vom Busfahren keine mehr etwas wissen. Sogar zur Siesta im Straßengraben mussten wir uns eher zwingen. Eigentlich sind wir doch geübte Hitze-Radler und haben – ständig Silvias Predigten über Hautkrebs im Kopf – doch, wie man sehen kann, eine passable Technik für Sonnencreme Verteilung gefunden:
Wir übten uns im Windschattenfahren und das über eine beachtliche Strecke sogar gleichzeitig, nachdem wir einen der üblichen – nennen wir es “Eiswagen-Fahrrad”- Fahrer überholt hatten und dieser meinte uns unmittelbar danach wieder einzuholen und sich demonstrativ vor uns zu setzen. Gut, man war um jeden Windschatten dankbar, also folgten wir ihm eine Zeit in dem Glauben, er würde mit dieser fraglichen Kühl-Konstruktion doch sicher nur bis zu nächsten Ecke radeln. Weit gefehlt! Sichtlich angestrengt (wir wissen jetzt: auch Nicaraguaner können schwitzen 😄) strampelte er vor uns her. Als er dann doch irgendwann langsamer wurde, setzen wir zum Überholen an, was aber so gar nicht im Sinne des Eismanns war. Anika wurde beim Ausscheren schon der Weg abgeschnitten und wir waren wieder im Schatten des Eiswagens. Wir beobachteten diesen beeindruckenden männlichen Ehrgeiz noch eine Zeit und versuchten sogar noch einmal vergeblich zu überholen. Erst nach mehreren Kilometern gelang es uns in einem günstigen Moment vorbeizuziehen und auch direkt etwas Distanz aufzubauen. Lieber Eismann, auch wenn du das vermutlich nie liest: Das war viel besser als alle Pfiffe und Komplimente der anderen Männer! Wir ziehen unsere nie bessenen Sonnenhüte vor deiner Aktion und sind uns im Klaren, dass du uns mit Reifen in mehr als 12 Zoll auch sicher abgezogen hättest. Hoffentlich hast du keinen Kreislaufkollaps gehabt und konntest die durch diese Aktion gezüchteten Salmonellen noch gewinnbringend verkaufen!!
Wer weiß, vielleicht verdanken wir es des der Erholung hinter dem Eismann, dass wir weiter in den Bergen vor jedem Anstieg wieder frohen Mutes hofften es wäre der letzte. Als unsere Beine irgendwann zu zittrig waren, gönnten wir uns eine etwas längere Rast an einem kleinen Restaurant am Berg. Es waren jetzt nur noch zwanzig Kilometer bis zum Ziel. Eine letzte Angst war geblieben, dass nun noch die Steigung, die wir vom Hinweg in Erinnerung behalten hatten, vor uns liegen würde. Zwar waren wir uns bewusst, dass wir schon viel mehr bergauf gefahren waren, als es auf der uns bekannten Strecke erforderlich gewesen wäre, allerdings konnte keine von uns wirklich abschätzen wie viel wir heute auch wieder bergab gefahren waren. Schließlich hatte man sich dort gegen den Wind fast genauso abgemüht wie bei den Anstiegen.
Obwohl der Restaurantbesitzer versicherte, dass es nach dem nächsten Berg nur noch bergab bis nach Managua ginge, blieben wir skeptisch, als wir, etwas weniger tatterig, weiter fuhren. Doch dieser Einheimische sollte mit seiner Auskunft Recht behalten. Die letzten 20 Kilometer gingen überwiegend runter und das mal so steil, dass auch der Ostwind uns nicht mehr vom Rollen abhalten konnte.
Leichte Panik überkam uns nochmal, als wir, laut Karte, unser Hotel erreicht hatten. Eigentlich hatten wir für die letzten Tage mal Wert auf etwas mehr Komfort legen wollen. Jetzt standen wir vor einem gruseligen Eisentor, an das bereits ein anderer Mann hämmerte, um herein gelassen zu werden. Als er und wir herein gelassen wurden, verstanden wir, dass wir wohl einen Hintereingang gefunden hatten, den sonst eher das Personal nutzen.
Drinnen war alles ganz wunderbar: Viel Platz zum Ausbreiten muffiger Sachen, eine große Dusche und sogar gratis Wasser. ☺
Auf den Rädern hatten wir noch nicht daran geglaubt, aber nach dem Duschen waren wir sogar wieder fit genug, um uns auf Essenssuche zu begeben. Als wir dann das erste Restaurant des Urlaubs fanden, in dem der Koch gelernt hatte Käse zu schmelzen und nicht als Rohmilchkäseblock zu servieren, waren wir endgültig rundum zufrieden! Gelungene Zieleinfahrt!! 🙂
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